Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann

Schwerte. Irgendwo muss
Diethild Dudeck ihren Jungbrunnen
versteckt haben. 80
Lenze soll diese Frau auf dem
Buckel haben? Sie lächelt,
wenn man sie darauf anspricht.
Sichtbar sind in ihrer
schmucken Wohnung nur Erinnerungsstücke,
die sie mitgebracht
hat von ihren Reisen
nach Bolivien, Burkina Faso
oder Mali und die sie sorgfältig
in einer Glasvitrine verwahrt.
„Erinnerungen“, sagt sie, „sind
das einzige Paradies, aus dem
man nicht vertrieben werden
kann“.

Erinnerungen hat Diethild
Dudeck viele, nicht nur, weil
sie am morgigen Sonntag ihr
80. Lebensjahr vollendet. „Mit
einem Tag der offenen Tür“,
sagt sie. Viele Hände wird sie
schütteln müssen, ganz sicher.
Aber um 17 Uhr ist Schluss.
Dann kommt ihre Familie an
die Reihe. Essen steht auf dem
Programm. Zwei Töchter sind
dabei, sieben Enkelkinder, Anhang
inklusive – eine große
Gesellschaft, die ihren Platz
braucht. Aber den hat Hiddemann
im Spiek ja zu bieten.

Drei Plätze wird die ehemalige
Oberschichtmeisterin und
Trägerin des Ehrenrings der
Stadt Schwerte dann in ihrem
Herzen reserviert halten.
Nämlich den für ihren Mann
Erich und den für ihre Schwiegertochter,
die 1986 innerhalb
weniger Monate starben. 2007
folgte der nächste schwere
Schicksalsschlag für die Ur-
Schwerterin. Ihr Sohn Ekkehard
erlag einer Krankheit. 55
Jahre wurde der gelernte Agrarbiologe
nur, der in Bolivien,
Burkina Faso und Mali beratend
tätig war. Erinnerungen.

Ihren Kummer hat die Jubilarin
überwunden. Dafür hat
sie gekämpft, dafür hat sie viel
Kraft gebraucht. Sie hat es geschafft,
auch weil sie mit beiden
Beinen fest im Leben
steht. Besser: immer gestanden
hat. Und Lebensmut besitzt.
Als 1986 ihr Mann starb,
hat sie nur ein paar Monate
später eine richtungsweisende
Entscheidung getroffen: Sie
besuchte das Fest des Nachbarschichtes
5. „Ich habe mich
getraut, ganz alleine in die
Waage zu gehen“, erinnert sie
sich. Es war der Beginn einer
Licht durchfluteten Karriere,
der Beginn des Lebens einer
Schwerterin für Schwerter
und für deren einzigartiges
Schichtwesen.

Geboren wurde Diethild
Dudeck am 21. August 1931
mitten in Schwerte. Eine Löwin.
Die verstehen zu kämpfen.
Das Haus, in der heute die
St. Viktor-Apotheke untergebracht
ist, ist ihr Geburtshaus.
Sie ist nie weggegangen aus
der Ruhrstadt, hat die Marktschule
besucht, später die
Oberschule für Mädchen in
der Ostenstraße.

Sie hat in der Hermannstraße
gewohnt, in der Ruhrstraße,
heute in der Friedensstraße.
„Mit hat es nie etwas ausgemacht,
hier zu leben. Ich bin
sogar stolz, in Schwerte geboren
zu sein“, sagt Diethild Dudeck.
Die Rohrmeisterei war
und ist ihr der liebste aller
Lieblingsplätze in ihrer Ruhrstadt.
Dort hat sie sich schon früh
einen Namen gemacht als besorgte
und sorgende Arzthelferin
der Mediziner Spanke, Ritter
und Zeller. So richtig ins
Licht der Öffentlichkeit trat
sie aber 1989, als sie Schichtmeisterin
im Schicht 5 wurde.
Zwei Jahre später war sie
Oberschichtmeisterin – für 15
intensive Jahre. Sie hat ihren
Job nie verwaltet, sie hat ihn
gelebt. Die Säuberungsaktion
„Schwerte putz(t) munter“ ist
ihr geistiges Kind, sie hat sich
für die Rückkehr der Ruhrstadt
in die Hanse stark gemacht
und 2006 sogar das
Hansefest nach Schwerte geholt.
„Die Stadt hat uns damals
unterstützt“, blickt sie zurück.
Weil finanzielle Zuwendungen
nur an Vereine mit
Rechtsform möglich sind,
gründete Diethild Dudeck den
Hanseverein Schwerte. Seitdem
steht sie dort an der Spitze,
„bis zum nächsten Jahr auf
jeden Fall“.

Und dann? „Eigentlich
wollte ich mit 80 kein
Amt mehr bekleiden“, sinniert
sie. Aha! „Aber ich muss mal
gucken, ob ich weitermache.“
Gut gebrauchen könnte sie
der Hanseverein allemal.
Schwerte sowieso. Und so
freut sie sich, dass „meine Meinung
auch heute noch gefragt
ist“. Nicht umsonst sitzt sie im
Ehrenbeirat des Oberschichtes,
und nicht umsonst ist sie
auch heute noch ganz besonders
stolz auf den Ehrenring,
der ihr 2004 verliehen wurde.
„Das war ein Highlight, diese
Auszeichnung habe ich mir
selber erarbeitet“, sagt Diethild
Dudeck.

Und wo hat sie nun ihren
Jungbrunnen versteckt? Diethild
Dudeck lächelt.

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