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Martin Walser und die Bilder in den Köpfen seiner gebannten Zuhörer

Schwerte. Der Einstieg ist für einen Journalisten stets ganz entscheidend für die Qualität seines Berichtes. Ihn trefflich und treffend zu formulieren, ist das Schwierigste im Tagesgeschäft. Ginge es so? Martin Walser stellte am Donnerstagabend in der Rohrmeisterei sein jüngstens Buch „Ein sterbender Mann“ vor. Nein, so nicht! Das würde diesem großen, würdigen, Respekt und Achtung einflößenden Schriftsteller nicht gerecht. Dieser Mann, gerade 89 geworden, in einer Reihe stehend mit anderen literarischen Größen der Republik und immer wieder ausgezeichnet (u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels), erzeugt Aufmerksamkeit von der ersten Sekunde seines Auftretens bis hin zu seinem Abgang.

Martin Walser zieht in der Rohrmeisterei mehr als 200 Menschen in seinen Bann. Atemlose Stille. Seine Zuhörerinnen und Zuhörer hängen an seinen Lippen, lauschen gebannt. Aha, so klingt es also, wenn sich einer nicht zum Herr über die Sprache macht, sie nicht beherrschen möchte, sondern mit ihr und ihren Möglichkeiten scheinbar verschmolzen ist, sie liebt. Geschliffen sind die Worte. Martin Walser liest im Stehen. So lässt es sich besser pointieren. 89 Jahre? Kaum zu glauben!

Walser, der Routinier

Mit jedem Satz entstehen in den Köpfen Bilder. Über den 72-jährigen Theodor Schadt, einst erfolgreicher Unternehmer, aber jetzt auf der ganzen Linie gescheitert. Das Opfer einer Freundschaft, seines Vertrauens. Jetzt führt Schadt im Tangoladen seiner Frau in München die Kasse, mit dem Rücken zum Geschäft. Er will nicht mehr, sucht in einem Suizidforum nach dem entscheidenden Austausch – und trifft dort auf Aster, die ihre Selbstmordabsicht irreversibel nennt. Das ist ein Wort, das Schadt gefällt, gesteht er dem unbekannt bleibenden „Sehr geehrten Herrn Schriftsteller“ in einem Brief, über den sich die ganze Geschichte entwickelt.

„In seinem neuen Roman erweist sich Walser als Routinier, der souverän eine verwobene, die Leser bis ins algerische Atlasgebirge führende Geschichte entwickelt. Er geht raffiniert mit dem literarischen Kunstgriff der Teichoskopie zu Werke, jener Mauerschau, bei der auf der Theaterbühne ein nicht mehr darstellbares Geschehen von einem Zeugen berichtet wird. Walsers Mauer sind die Briefe, Mails und Blogkorrespondenzen von Schadt an den anonym bleibenden Schriftsteller. So lernen wir auch Schadts Blogpartnerin kennen, ihre skurrilen Geschichten, mitgeteilt unter dem merkwürdigen Namen Aster“, schreibt Spiegel online in der Buchrezension über den sterbenden Mann.

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/martin-walser-ein-sterbender-mann-in-der-kritik-a-1070393.html

Martin Walser mit seiner Co-Autorin Thekla Chabbi und der Journalistin Antje Deistler (l.).

Thekla Chabbi und Aster

Martin Walser ist  nicht alleine gekommen. Mit dem Zug. Über Solingen und Ennepetal. An seiner Seite die überaus spannende Thekla Chabbi, Sinologin aus München, die die Figur der Aster im Roman schuf, als sie, also Aster, per Mail auf die Blogeinträge des Theo Schadt im Suizidforum reagierte. „Ich suchte für Theo Schadt nach einer Selbstmordmöglichkeit, und sie hat geantwortet, da gibt es das Suizidforum. Später hat sie mir die Daten zugespielt, damit ich selbst kundig werde. Ich habe ihr dann zugänglich gemacht, was Theo Schadt im Roman ins Suizidforum geschrieben hat. Sie hat geantwortet als Aster, und das war, Entschuldigung, das Wunder der Entstehung eines Romans. Das wird mir auch nicht ein zweites Mal passieren. Durch ihre Provokation als Aster hat sich der Roman so entwickelt, wie er ist“, sagt Martin Walser schon im Januar in einem Interview mit der Welt. Auch in Schwerte erzählte er diese Geschichte im Gespräch mit der Kölner Journalistin und Literaturexpertin Antje Deistler.

Das aufschlussreiche Interview in der Welt findet sich hier:

http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article150834783/Ich-moechte-keine-Sauerei-hinterlassen.html

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